Anlässlich
des Internationalen Drehorgelfestivals vom 17. Juli 2005 stellte Frau
Pfrn. Margrit Schwander auf dem Rathausplatz in Thun ihre Predigt unter
das Thema: "Ein kleines Lied, wie geht’s nur an, dass man so lieb
es haben kann, was liegt darin? Erzähle! - Es liegt darin ein wenig
Klang, ein wenig Wohllaut und Gesang und eine ganze Seele."(Marie
von Ebner-Eschenbach;1830-1916)
Die
meisten Menschen haben so ein paar Musikstücke, die ihnen viel bedeuten
Wenn
wir sogar Jahrzehnte später diese Melodie wieder hören, fallen uns
viele kleine Details wieder ein, Kleinigkeiten, die wir längst vergessen
glaubten. Musik kann in unserem Leben Verschüttetes wieder zum Vorschein
bringen. Musik ist eine Sprache, die wir erfühlen können. Musik
erreicht uns auch dann, wenn wir müde sind oder wenn wir aus Enttäuschung
oder in Trauer verschlossen sind, ja selbst wenn wir alt und krank sind
und kaum etwas anderes mehr wahrnehmen.
Im
Psalm 57,8 kann ein Mensch, der in Not um Hilfe bittet sagen: „Mein
Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe.“
Sie,
liebe Drehorgelspieler und –spielerinnen sind nach Thun gereist, um
unser Herz bereit zu machen. Für eine begrenzte Zeit helfen Sie uns, der
Freude Raum zu schaffen. Sie stehen da, drehen die Kurbel und öffnen uns
unsere Seelen. Ihre Musik blendet für kurze Zeit die Tagesaktualität
aus und öffnet uns die Tür zur Erinnerung und in die Zukunft. Die
Freude, zu der Sie mit Ihrer Musik verlocken, ist keine oberflächliche
Fröhlichkeit und auch kein rauschhaftes Vergnügen, denn sonst bliebe am
Ende nur Ernüchterung, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit zurück. Die
Freude muss Wurzeln haben. Sonst tun wir nur so, als wäre alles bestens.
Es gibt tragfähige Wurzeln, die unser Lied, unsere Melodie, unser Lob
und unsere Freude wachsen und blühen lassen. Wir können unser Herz
bereiten, dass es singt und lobt. Ihre Musik lenkt das Ohr und das
Innere, auf Sprachloses, auf Ewiges und ist offen für Gottes neue Welt.
Man mag von der Drehorgelmusik halten was man will, Tatsache ist, sie
erreicht das Gemüt eines jeden Menschen, auch jener Menschen, die
vornehm ihre Nase über Drehorgeln rümpfen.
1909
schreibt Karl Kraus im „Simplizissimus“: "Schon als Kind war ich
weniger darauf erpicht, das Leben aus den grossen Werken der Kunst zu
empfangen, als aus den kleinen Tatsachen des Lebens es zu ergänzen. …
Ein sentimentaler Gassenhauer, den am Sommersonntag ein Leierkasten vor
unserem Landhaus spielte, hatte Macht über mein Gemüt; ich liess ab,
Fliegen zu fangen, und die Mysterien der Liebe gingen mir auf. Andere,
die sich rühmen, dass Wagners Tristan eine ähnliche Wirkung auf sie
ausgeübt habe, fangen heute noch Fliegen.“
Der
Psalmist in der Bibel sagt:" Mein Herz ist bereit, Gott, dass ich
singe und lobe“. -
Das
ist die Freude, zu der Sie uns mit ihren Orgeln führen können. Ich wünsche
es uns allen, dass wir angesteckt werden zur Freude. Ich jedenfalls freue
mich, weil ich heute mit ihnen Gottesdienst feiern darf, weil wir
zusammen musizieren, singen und beten. Ich freue mich, dass Ihre Musik in
uns die Freude hervorlockt über die Verlässlichkeit Gottes, über
Gottes Treue und seine Liebe, über seine Gnade und sein Erbarmen, das
mich immer wieder neu anfangen lässt, auch wenn ich Fehler gemacht und
Schuld auf mich geladen habe.
Angesteckt
von dieser Freude können wir alle einstimmen in den Psalm:
„Mein
Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe.“
AMEN
Gebet
:
Gott,
du hast uns Menschen die Musik geschenkt. Musik ist die Sprache, die alle
verstehen, die in allen etwas zum klingen bringt und manches in uns heil
macht, was verletzt und krank ist. Dafür danken wir dir.
Wir
vertrauen deiner Güte unser Leben an und das Leben jener Menschen, mit
denen wir unter einem Dach, in einer Strasse, in einer Familie, in einer
Stadt und in einer Welt leben.
Wir
wollen aber auch an Menschen denken, in deren Leben vieles nicht stimmt,
so dass in ihnen keine fröhliche Melodie klingt. Gott, wir bitten dich für
die Menschen, die vor Kummer heute früh am liebsten nicht mehr
aufgewacht wären, für die Menschen, die durch Hunger, Not und Bedrohung
um ihr Leben fürchten, die kein Dach über dem Kopf haben. Wir bitten
dich für die Verlierer, die ihren Platz in unserer Mitte mit dem Platz
am Rande tauschen mussten. Lass uns für sie da sein, damit wir das von
dir geschenkte Licht in ihre Dunkelheit hineinleuchten lassen.
Sei
du mit deinem Segen bei der Festgemeinde, so dass Gemeinschaft gepflegt
und Freundschaft aufgebaut werden kann.
Sei
du bei allen, die heute Abend wieder nach Hause reisen, dass sie gut und
gesund heimkehren. AMEN |