Brief vom 06.03.1959 meines Deutschlehrers in Zürich

 

Lieber Peter 

Es hat mich herzlich gefreut, doch noch einmal ein Sammelbuch zu sehen von Deiner Klasse; und Du darfst das Deine ja auch zeigen. Es ist tüchtig angeschwollen. Es macht Freude, darin zulesen! Vor allem zeigt sich, dass in dem nun erwachten geistigen Eigenleben, sodass ich geneigt bin zu erklären: das Sammelbuch hat in diesem einen Fall seinen schönsten Zweck erreicht. – Ich habe nicht mehr korrigiert, aber alles gelesen. Du weißt: Korrigieren heisst bei mir nicht nur Fehler anzuzeichnen, sondern Stellung nehmen: dazu reicht die Zeit nicht mehr. Was aber zu sagen bleibt ist dies: ich habe in der letzten Zeit ein starkes inneres Wachstum bei dir festgestellt. Du hast an Format gewonnen, denn deine Kräfte unterwerfen sich mehr und mehr der Zucht, der Form. Du bist sehr viel reifer geworden. Du warst auch ein feiner Mitarbeiter und für den idealistischen Gemeinschaftsplan der Klasse hattest du, der Zögernde, Skeptische, einen starken Sinn. Gerade mit so einem Peter liesse sich leicht in die Fremde gehen: unkompliziert, tatkräftig, leistungsfähig. Du wirst Dich vermutlich auch in Europa völlig entwickeln können, denn Du wirst Dir Zeit lassen. Überhaupt sehe ich Deine Zukunft , soweit sie von dir abhängt, in hellem Lichte und auch die allernächste die kommenden Montag beginnt , kann nicht fehlen. 

Behalte Deine herzhafte, menschenfreundliche, positive Art bei; wenn Du dann Deinen Schopenhauer immer besser kennen lernst, und wenn unser Peter, trotz allen „a posterioris“ im wesentlichen der alte Sunny Boy bleibt: glaube mir, das gibt die besten Voraussetzung zu einem freundlichen, holden, erfolgreichen Lebensablauf. ‑ Es ist alles relativ, besonders das Glück ‑ aber in der Relativität gibt es ein Mehr und ein Weniger. Dir wird das erste beschieden sein, und für die schlimmeren Tage halte die Aphorismen in Griffnähe! 

Ich danke Dir für Deine Mitarbeit und wünsche dir herzlich den Erfolg im Leben, den uns keine Krise, kein Krieg, kein Schicksalsschlag mehr entreissen kann. 

6. März 1959