Verschmelzung der Fallas mit der Identität Valencias

 

Gegen Mitte des 18. Jh. waren die Fallas ein einfacher Volksbrauch zu Ehren des Heiligen Joseph (19. März). Am 18. März im Morgengrauen wurden in einigen Hauptstrassen Strohmänner vor die Fenster und über die Strassen gehängt oder auf Brettern befestigt, die

an Hausmauern angelehnt wurden. Diese Puppen, Ninots genannt, prangerten irgendein öffentliches Ärgernis erregendes Ereignis an und wurden am Abend vor zahlreichen Zuschauern angezündet. Der nächste Tag war ein Feiertag und die frommen Leute Valencias begaben sich in ihre Pfarrkirchen, um den Schutzheiligen zu ehren.

 

 

Die erste urkundliche Erwähnung der Fallas ist ein schriftlicher Antrag an den Bürgermeister der Stadt Valencia, er möge das Aufstellen der Figuren in den engen Strassen verbieten. Die Stadtpolizei ergriff Massnahmen zur Brandverhütung und verpflichtete die Bürger dazu, die Fallas in breiten Strassen, an Kreuzungen und auf Plätzen aufzustellen. Die Fallas wurden nun freistehend aufgebaut und konnten aus jeder Perspektive betrachtet werden. Auch wurden erklärende Texten angebracht.

 

Die Fallas werden jedes Jahr mit Spannung erwartet und von einer großen Menschenmenge bestaunt. Die Figuren bestehen aus einem Gerippe aus Holz und einer dekorativen Verkleidung aus bemalter Leinwand. Die ursprünglichen Ninots wurden mit Textilien eingekleidet und mit satirischen Versen oder gereimten Glossen unterstrichen.

 

Ab ca. 1850 wurde das kritikwürdige oder lächerliche gesellschaftliche Verhalten in Versen in einem kleinen Büchlein gedruckt. Jede Falla bezieht sich auf ein konkretes Thema oder eine erkennbare Person. Ab ca. 1850 wurden erotische und sozialkritische Fallas aufgestellt. Im 19. Jh. engte die Stadtverwaltung mit einer repressiven Politik die Volksfeste der Bevölkerung ein und drohte mit der Abschaffung der Fallas. Besonders ausgeprägt war diese Tendenz um 1870, als die Errichtung von Fallas oder das Spielen von Musik mit hohen Steuern belastet wurde. Die Reaktion auf diese Steuerlast war eine „Bewegung für die Verteidigung der volkstümlichen Traditionen“. 1887 zeichnete die Zeitung La Traca zum ersten Mal die besten Fallas mit einem Preis aus. Die Initiative wurde vom „Verein für die Renaissance der Fallas“ fortgesetzt. Durch die Preise wurde der Wettbewerbsgeist unter den Ausschüssen der verschiedenen Stadtteile gefördert. Die Fallas wurden mit immer größerem Eifer gebaut. Ohne auf das sozialkritische Element zu verzichten, wurden formale, konstruktive und ästhetische

Bestrebungen in den Vordergrund gerückt. 1901 übernahm die Stadtverwaltung von Valencia die Preisverleihung. Diese offizielle Preisverleihung stiess bei der Öffentlichkeit auf hohe Akzeptanz. Das Volksfest wurde zunehmend zu einem Anlass, an dem Valencia sich selbst feiert und führte zur Verschmelzung der Fallas mit der Identität Valencias.

 

 

Immer häufiger wurden überdimensionierte Figuren gebaut, die prächtig, imponierend und majestätisch von weitem erkennbar wirkten. Zum besseren Verständnis muss die ganze Falla umkreist und von oben nach unten besichtigt werden. Seit ca. 1932 sind die Fallas meistens das Werk spezialisierter Handwerker und Künstler, die mehrere Monate mit dem Bau dieser Figuren beschäftigt sind.

 

Zu den wichtigsten Bestandteilen der Fallas gehören Pappkarton, Gips und Wachs, das Holz des Gerippes und das Metallgeflecht, das für die großen Volumen unbedingt nötig ist. Mit diesen einfachen Werkstoffen stellen die Künstler Valencias grosse und stabile Schöpfungen her, die um die Gunst des Publikums rivalisieren und als grosse Denkmäler in den Himmel ragen. Die schwierigste und interessanteste Aufgabe ist die Herstellung der Formen für die Frauen- und Männerköpfe aus Lehm, die mit Gips ausgegossen werden und für die Erstellung der Köpfe aus Wachs dienen. Hier ein Schnauz und dort ein blinzelndes Auge oder eine verzogene Lippe verfremden das Antlitz zur Karikatur

 

Für den Bau der Körper wird der Karton nass auf die Gipsformen gepresst und in die gewünschte Form gebracht. Dies ist die Aufgabe für Lehrlinge, die jeder Fallero-Künster, der etwas auf sich hält, beschäftigt.

 

Allmählich entstehen so die verschiedenen Persönlichkeiten einer Falla. Äusserst heikel ist das Bemalen des Wachsmaterials. Nur wenige verstehen es, den Antlitzen mit ihren Farben jenes Leben einzuhauchen, das die Figuren einer guten Falla kennzeichnet.

 

Zum Aufstellen, der manchmal bis zu 25 m hohen Figuren, werden Spezialisten mit riesige Pneukrans benötigt.

 

 

 

 

 

 

Die Innenstadt wird für den Verkehr gesperrt und die Figuren werden an ihrem Standplatz aufgebaut und während mehreren Tagen von der Bevölkerung und den Juroren begutachtet. Die Preisverteilung wird von den Künstlern und der ganzen Bevölkerung mit Spannung erwartet und vor dem Abbrennen der Fallas ausgiebig kommentiert.

 

Wenn der Höhepunkt des Festes kommt, werden die Figuren in einer genau festgelegten Reihenfolge angezündet. Die Valencianer geniessen dies offensichtlich trotz Rauch und Gestank. Um sich vor der grossen Hitze zu schützen halten die Valencianer Pappkartons mit zwei Löchern für die Augen vors Gesicht

 

 

 

 

Die Jugend macht sich einen Spass daraus, möglichst nahe um die brennenden Fallas zu tanzen und freut sich, wenn die wachsamen Feuerwehrmänner manchmal mit einem gezielten Wasserstrahl für eine Abkühlung der Gemüter sorgen.

 

Text von Antonio Ariño

bearbeitet von SEE und oph 12/2004