La Semana Santa in Valencia (Karwoche)

Auf dem bereits vertrauten Campingplatz entdecken wir eine Broschüre zu den Festlichkeiten der Semana Santa, die uns hilf, uns zu orientieren. Die Prozessionen und Messen in der Karwoche werden grossmehrheitlich nicht in Valencia selber, sondern im Vorort La Cabanal, einem ehemaligen Fischerdorf, abgehalten. Wir staunen über die grosse Anzahl von Prozessionen, die täglich von Palmsonntag bis Ostersonntag durchgeführt werden. Jeden Tag gibt es mehrere Prozessionen der verschiedenen Bruderschaften (Hermandades bzw. Cofradías genannten). Diese Vereinigungen organisieren alle Prozessionen und sind in der Regel einer Kirchengemeinde angeschlossen. Die Prozession beginnt in der Kirche der Heimatgemeinde der jeweiligen Bruderschaft. Ziel ist die Strecke, die für die Erfüllung des Bussaktes vorgeschrieben ist. Diese Strecke ist genau festgelegt und für alle Bruderschaften einer Stadt gleich. Zu jeder Prozession gehören mehrere hundert bis zu über tausend Personen. Wir beobachten am Vormittag des Karfreitags eine der Prozessionen und sind beeindruckt von der grossen Anzahl von Menschen, die sich aktiv an der Darstellung des Kreuzweges beteiligen. Man sieht zahlreiche Büsser (Nazarenos ) mit ihren Spitzhauben (Anonymität des Bussakts), aber zu unserer Erleichterung keine Menschen, die sich mit Marterwerkzeugen schlagen (lassen). Einige schleppen auch ein schweres Holzkreuz (Penizentes) und viele Büssende gehen barfuss. Daneben gehen zahlreiche historische Figuren: so z.B. der frisch verurteilte Jesus, Pilatus, Römersoldaten, Kaifas, Herodes und sein Hofdamen, Lazarus, Maria Magdalena, Hebräerinnen, Nikodemus, Salome, Veronika, und zahlreiche andere, die wir nicht erkennen können. Jede Bruderschaft hat ihre Musikkapelle dabei. Die Musik ist getragen, tönt oft klagend (z.B. Dudelsackspieler und vieler dumpfe Trommelschläge) und der Schritt der Prozessionsteilnehmenden ist langsam, ja eigentlich schleppend. Auf uns wirkt das alles eher zwiespältig, denn viele Akteure scheinen das Ganze vor allem als Verkleidungsspiel zu empfinden. Besonders auffallend ist in dieser Hinsicht einer der Jesusdarsteller, der bei einem etwas längeren Unterbruch der Prozession sich seiner Fesseln entledigt, um sich im Fenster eines Geschäftes zu bewundern. In aller Ruhe ordnet er ausgiebig seine Frisur und schlüpft dann schnell in seine Rolle als leidender Verurteilter zurück, sobald sich der Zug in gemächlichen Schritten weiterbewegt. Neben der von uns besuchten Prozession finden an diesem Vormittag noch weitere vier Prozessionen statt und jede dauert 3-4 Stunden. Die Hauptprozession, an der sich alle rund 30 Bruderschaften beteiligen, beginnt erst am Abend um 18.30 Uhr und dauert nach Plan bis 01.30 Uhr. Das Thema dieser Abendprozession ist die Grablegung von Jesus. Wir beobachten, dass für die Abendprozession entlang der Route viele Stühle aufgestellt werden und können uns gut vorstellen, dass dann sehr viele Zuschauer die Strassen säumen.

Den Ostersamstag benutzen wir, um bei schönstem Frühlingswetter nochmals gemütlich durch die Innenstadt von Valencia zu schlendern. Am Ostersonntagt hingegen fahren wir mit der Metro nochmals nach La Cabanyal, denn wir möchten erleben, wie sehr sich die Osterprozession von derjenigen an Karfreitag unterscheidet. Gut eine Stunde vor Beginn der letzten und wiederum von allen Bruderschaften gemeinsam durchgeführten Prozession sind wir vor Ort. Wie erwartet sind entlang auf der ganzen Prozessionsroute Stühle aufgestellt. Wir beobachten auch interessiert, wie sich die Teilnehmenden in den Gässchen nach Bruderschaften geordnet aufstellen. Jede Bruderschaft hat ihren Sammlungsort, um sich dann genau nach Zeitplan an der vorgesehenen Position in die Prozession einzuordnen. Die Büsser tragen jetzt Kleider in hellen Farben (weiss, gelb, blau mit weiss oder hellgrün etc.) und ihre Spitzhauben tragen sie in der Hand. So sieht man ihre fröhlichen Gesichter, wie es dem Anlass der Auferstehung Jesu auch entspricht. Die Frauen tragen farbenfrohe Kleider, haben ihre Haare zu kunstvollen Gebilden arrangiert und mit Schmuck versehen. Schon an Karfreitag waren Kinder jeden Alters unter den Akteuren, aber an Ostern sind es auffallend viele Kinder, die mitmarschieren. Natürlich dürfen die verschiedenen Musikkapellen auch jetzt nicht fehlen Sie spielen fröhliche Musik in viel rascherem Tempo, als an Karfreitag und daher ist auch das Marschtempo wirklich zügig und manchmal für die kurzen Kinderbeine fast zu schnell, denn es gibt auch kaum ein Stocken des Ablaufs. Viele der Akteure haben grosse Nelkensträusse oder andere Blumen auf dem Arm und verschenken diese Blumen an die Zuschauer, die in dichten Reihen entlang des ganzen Weges (gut 4 km) sitzen oder stehen und durch lautes Rufen ihre Bekannten um eine Blume bitten. Wenn eine Musikkapelle den Zuschauenden besonders gut gefällt, ertönt Applaus und ganz sicher erntet jeder Darsteller des auferstandenen Jesus viel Applaus und Zurufe. Abgesehen von der Kleidung, dem Thema und dem herrlich warmen Wetter erinnert uns der ganze Umzug etwas an den Zug der Zünfte am Zürcher Sechseläuten. Wenn eine Bruderschaft das Ende der Prozessionsroute erreicht hat, marschieren alle ihre Mitglieder mit Musikbegleitung ihrer Kapelle geordnet zum Stammhaus der Bruderschaft. Dort wird das Banner der Bruderschaft zeremoniell ins Haus geleitet. Der Bannerträger geht dabei rückwärts ins Haus hinein, damit die Akteure ihr Banner bis zuletzt von vorne sehen können. Erst dann löst sich die Formation auf und die Teilnehmenden entspannen sich bei einem kühlen Getränk und fröhlichen Gesprächen. Für ein Jahr ist ein grosser körperlicher Einsatz geschafft, bis am nächsten Palmsonntag die zahlreichen Prozessionen wieder neu beginnen.