Ariosa Zungen-Drehorgel

18 Tonstufen / doppelchörig / ca. 100 Jahre alt

Bei Zungeninstrumenten wird der Ton durch Stahlplättchen erzeugt. Diese Technik findet man bei Drehorgeln, Handorgeln, Mundharmonikas, Harmonien und anderen Instrumenten. Ist die Zunge in einem Luftstrom, beginnt sie zu vibrieren und erzeugt einen Ton. Die Ariosa Zungen-Drehorgel ist doppelchörig, das heisst: jeder einzelne Ton hat immer zwei Zungen, die auf unterschiedlichen Frequenzen schwingen. Die Melodien werden mit 18 verschiedenen Tönen (18 Tonstufen) durch 36 Zungen erzeugt. Es ist die Doppelchörigkeit, die dem Instrument diese vollen und reichhaltigen Töne entlockt.

Während der Industrialisierung wurden viele Gegenstände, die ursprünglich nur für „besser Gestellte“ erschwinglich waren, auch den weniger Verdienenden zugänglich. Beispiele: Sanitäre Installationen, Uhren, einfache Haushaltgeräte, Autos, Reihenhäuschen und auch mechanische Musikinstrumente.

Salonmusik wurde mit mechanischen „First-Class“ Instrumenten wie Flötenuhren, Salondrehorgeln, Orchestrions, Cartel (sehr grosse Musikdose) uam erzeugt. Als amerikanische und deutsche Hersteller mit dem Produzieren grosser Serien begannen, wurde der Markt mit Instrumenten überschwemmt. Plattenspieldosen der Marken Polyphon, Regina und andere wurden zu 10’000enden gefertigt.

Mechanische Instrumente brauchen einen Tonträger. Bei der Zungen-Drehorgel (Ariosa, Ariston, Erlichs und andere) wird die Musik durch runde Lochkartons oder Metallscheiben erzeugt. Beim Ariosa wurden Zinkscheiben verwendet, denn Zink war billig und leicht zu bearbeiten. Für wenig Geld konnte man ein "Basisinstrument" kaufen und hatte gleichzeitig Zugriff auf eine grosse Auswahl an Musikstücken. Das Ariosa mit 18 Tonstimmen kostete 16 Mark, doppelchörig kostete es 24 Mark. Die auswechselbaren Platten, die man auch Notenblätter nannte, kosteten nur fünfzig bis neunzig Pfennige. Das Repertoire dieser Notenblätter war vielseitig und umfasste hunderte von Musikstücken vorwiegend Walzer, Polka und Galopp sowie Märsche. Stark vertreten waren auch Opernmelodien. Was auffällt sind die vielen englischen und sogar russischen Titel, die vermutlich den Export fördern sollten. Mehrere kroatische und böhmische Nationallieder zeigen, dass in den Balkanländern diese Leierkästen mit ihrem Harmonika ähnlichen Klang sehr beliebt waren.

Die Ariosa Zungen-Drehorgeln wurden um 1900 herum im Leipziger Musikwerk Phönix GmbH Schmidt & Co hergestellt. Der tiefe Endverkaufspreis verlangte nach einer einfachen, mittelmässigen aber trotzdem soliden Mechanik. Die verwendeten Werkstoffe mussten günstig sein. So wurden die Gehäuse aus Pappelholz gefertigt. Die Bälge waren aus Karton statt Leder und die Musikträger auf Zinkblech gestanzt. Im Unterschied zu heute waren die Materialkosten um ein Vielfaches höher als die Lohnkosten der Fabrikarbeiter. Es ist erstaunlich, dass trotz billiger Werkstoffe diese Instrumente langlebig waren. Noch heute sind sie reparier- und spielbar.